Interview: "Früher wurde noch mehr nachgedacht!"

Interview von Kilian Tribbeck mit dem Münchner Buchhändler Max Götz: Früher wurde noch mehr nachgedacht


Erstaunlich: Es gibt sie noch, die kleinen Münchner Buchhandlungen, die ohne Computer arbeiten, keine Website haben. Auch die Buchhändler, die ihre Kunden größtenteils persönlich kennen und nicht über schlechte Verkaufszahlen jammern, gibt es tatsächlich noch. Kilian Tribbeck sprach mit Max Götz Junior (39 J) von der Münchener Buchhandlung/Antiquariat Dr. Max Götz.

Herr Götz, wie lange besteht Ihre Buchhandlung schon ?

Die Buchhandlung mit Antiquariat ist seit 1900 ein Familienunternehmen, das mein Vater in der vierten Generation führt. Trotz einiger Umzüge haben wir uns immer in der Innenstadt (Maxhof, Pacellistr. 5) behaupten können. Wir haben traditionell Sortiment und Antiquariat. Seit 20 Jahren liegt unser Schwerpunkt auf Kunstpostkarten, Kinder- und Bilderbüchern.

Hat sich Ihre Kundschaft durch den Internet-Buchhandel verändert?


Wir haben etwa 95 Prozent Stammkundschaft. Ich kenne gut zwei Drittel unserer Kunden persönlich, meistens auch ihre Familiengeschichte. Der Online-Buchhandel hat sich auf unser Geschäft kaum ausgewirkt. Wir erleben amazon.de und andere Internet-Buchhändler nicht als Konkurrenz, da wir eine sehr intensive Kundenbindung haben. Unsere Stammkundschaft ist durchschnittlich vierzig Jahre und älter. Sie gehört weniger zu den typischen Internetnutzern. Wir erleben es öfter, dass die Kunden mit den Buchinformationen, die ihre Kinder oder Enkel aus dem Internet haben, bei uns bestellen und kaufen. Die Kunden drücken mir auch schon mal Buchpreisaufkleber, die sie bei Hugendubel »abgezogen« haben, in die Hand und bestellen dann bei uns. Auch die Kundenwünsche haben sich durch das Internet kaum verändert. Klassiker, auch Bücher, die vor 30, 40 Jahren herauskamen, verkaufen sich immer noch gut. Die Topsellerlisten von Spiegel oder Focus, die ja auch stark durch das Internet »gepusht« werden, sind für unsere Verkäufe unerheblich.

Unser Buchsortiment wählen wir gezielt für unsere Kunden aus. Die gegenseitige Sympathie und individuelle Beratung ist uns und unseren Kunden sehr wichtig.

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von Kilian Tribbeck

 

Wenn ich den Kunden mal sage, ich bin nicht gut drauf, dann bringen sie mir schon mal was zu essen mit oder laden mich ein. So bin ich schon mal mit einer reizenden Achtzigjährigen im Restaurant gelandet. Ich schenke aber auch schon mal im Laden einen Tee oder ein Gläschen aus. Kurzum: wir sind kein Supermarkt für Laufkundschaft.  

Hat sich Ihre Arbeit, also Ihr »Berufsgefühl« durch die Neuen Medien geändert?

Kaum, da wir ohne PC und Internet arbeiten. Meine Kunden schätzen die Tatsache, dass ich ein Buch, welches ich für sie bestelle, im gedruckten Bestellkatalog nachschlage. Die Kunden dürfen auch gerne selbst reinschauen. Manchmal schmökern sie richtig darin. Der ganze Ablauf ist ohne PC einfach persönlicher. Neben den Vorteilen der modernen Technik sehe ich allerdings eher ihre Nachteile. In den letzten 20 Jahren, seit es die elektronischen Bestellungen gibt, sind die Lieferungen fast nie fehlerfrei. Früher wurde noch mehr nachgedacht. Gab es mal Unklarheiten beim Lieferanten, haben die Lieferanten telefonisch nachgehakt. Heutzutage werden bei elektronischer Bestellung aus 5 bestellten Büchern schon mal 500 Stück, ohne dass dies einen Lieferanten wundern würde. Die Buchhändler orderten früher auch mehr bei den freien Verlagsvertretern, die es heute nur noch selten gibt. Schuld daran sind die großen Konzerne, die die Vertreter »vereinnahmen« und oft auch willkürlich austauschen.

Hat die Buchhandels-Konkurrenz untereinander zugenommen? Können Kettenläden nicht billiger anbieten?


In München gibt es einen großen Buchhandelskonzern. Daneben circa 250 kleinere Buchhandlungen und Antiquariate. Die mittelständischen Buchhandlungen ab fünf Mitarbeitern sind leider fast ausgestorben. Problematisch ist die Tatsache, dass viele Kunden an der Buchpreisbindung, die in Deutschland immer noch gilt, zweifeln. Wer glaubt, groß sei mit billiger gleichzusetzen, irrt. Zwar bekommen die großen Buchhändler durch Massenbestellungen bessere Einkaufspreise, bzw. höhere Mengenrabatte, doch wirken sich diese nicht auf den Verkaufspreis aus. Im kleinen Buchladen zahlt der Kunde genauso viel für das Buch wie im großen. Nur die Gewinnspanne ist für die großen Buchhandlungen höher.

Ihr Ausblick für die Zukunft?

Problematisch ist die sinkende Kaufkraft des Mittelstandes, denn der macht den Hauptteil unserer Kunden aus. Unser Vorteil ist nach wie vor die Stammkundschaft, zu der auch Schulen, Universitäten und andere Institutionen gehören. Die Kunden werden es weiterhin zu schätzen wissen, dass wir auch kleine Bestellungen sorgfältig bearbeiten und zum Teil auch persönlich ausliefern. Wir halten auch in Zukunft an unserer traditionellen Arbeitsweise fest und werden nicht auf PC umstellen. Wenn es aber den gedruckten Bestellkatalog in Zukunft nicht mehr gibt, kann ich zumachen (und lacht).

Herr Götz, besten Dank für unser Gespräch!


Buchhandlung/Antiquariat Max Götz, (Anmerk.: Buchhandlung wurde Ende Januar 2013 geschlossen).

Aktualisierung 06.11.2014:


Max Götz betreibt inzwischen eine Online-Buchhandlung in Großdingharting bei München. Hier klicken für Infos!